J.L.  BERTUCCELLI

                                                    LA POÉSIE DES VITRINES


Jeder hat schon mal auf einer verstaubten Kommode, einer verschneiten Motorhaube oder einer verdreckten Glasscheibe seinen Finger gleiten lassen und einen Schriftzug, ein Bild oder irgendetwas dazwischen zurück gelassen. Laienhafte Spontankunstwerke, die zum Schmunzeln verleiten. So, oder so ähnlich müssen bei Streifzügen durch die Stadt, die Pariser Schaufenster auf J. L. Bertuccelli gewirkt haben. Immer wieder stand er vor Geschäften, die wegen Umbauarbeiten geschlossen waren und deren sonst so gefüllte und einladende Schaufenster jeglichen Blick auf das Innere verwehrten. In Farbe getünchte, von Innen absichtlich verdreckte Scheiben fand er vor. Doch für ihn waren es mehr als bloße Schmierereien, er empfand sie als abstrakte Bilder.

Die meist mit Kreide und Schwamm bearbeiteten Glasscheiben variieren von wilden Kreisbewegungen, Zickzack-Linien, getupften Flächen bis hin zu schier noch herabfließender Farbe. Diese Grundflächen sind an sich bereits ein Spektakel in Form und erahnter Bewegung, kombiniert werden sie mit Smileys, bunten Farbklecksen, Gegenständen oder gar anthropomorph anmutenden Figuren. Bertucelli hielt diese für ihn abstrakten Bilder in Fotografien fest und separierte das Schaufenster aus seinem ursprünglichen Rahmen. Was bleibt ist das abstrakte Bild.

 

Die Fotografie war für den 2014 verstorbenen Cineasten und Musiker nie Teil seiner Profession, indirekt betrachtet allerdings doch. Auf der Filmschule Vaugirard in Paris lernte er damals, dass ein Film stets aus einzelnen Momentaufnahmen besteht, exakt 24 Fotografien pro Sekunde und wie wichtig der Ausschnitt und das Licht für diese sind. Bei seinen zwischen 2011 und 2013 entstandenen Fotografien von bemalten Schaufenstern wandte er genau dies an, indem er nicht die komplette Ladenzeile fotografierte, sondern nur den für ihn relevanten Ausschnitt der Malerei festhielt.

 

Nach der Ausstellungspremiere in Paris im Jahre 2013, auf der Fotografien seiner Reisen und vereinzelte Schaufenstermomente gezeigt wurden, folgte 2015 in der Galerie Z22 eine Umfangreiche Werkschau seiner fotografisch festgehaltenen Schaufensterimpressionen.

 

„Wenn man bewegte Bilder sieht, ist man verpflichtet sie zu beobachten während sie laufen, während bei einem Foto man nicht der Zeit untersteht, ein Foto bleibt und stellt einen Moment dar, der zum Träumen einlädt. Vor einem Bild ist man freier…“

J.L Bertuccelli